Die Selbstbestätigungs-Falle

Menschen sehnen sich nach Glück und nach Liebe – aber dennoch jagen sie ganz anderen Dingen hinterher. Die wenigsten Menschen wissen, dass Angst am besten direkt durch Liebe aufgelöst werden kann. Um ihre Ängste zu beruhigen, suchen sie stattdessen nach Selbstbestätigung. Existenzielle Ängste hat jeder Mensch, und diejenigen, die keine solchen Ängste zu haben scheinen, unterdrücken ihre Ängste oft am stärksten. Das macht sie besonders abhängig von der Bestätigung durch die Außenwelt – und damit anfällig für ein fremdbestimmtes Leben.

In der Kindheit werden meist durch unachtsames Verhalten der Erwachsenen und des Umfeldes starke Ängste entwickelt, die sich auf die eigene Identität beziehen: „Ich bin nicht liebenswert“ oder „Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich bin wertlos“ oder „Ich bin hilflos und ausgeliefert“ sind typische kindliche Vorstellungen. Natürlich gibt es destruktive Erziehungspraktiken, die solche Ängste schüren. Aber auch bei liebevollen Eltern entwickeln Kinder solche Ängste, denn sie hängen mit dem Wesen des Menschen an sich zusammen. Menschen – im Gegensatz zu Tieren – sind Wesen, die sich ihrer eigenen Identität nicht sicher sind. Ihr Leben ist eine Suche nach ihrer seelischen Identität, und Selbsterkenntnis ist der Sinn des Lebens. Somit ist es der Sinn des Lebens, Liebe und essenzielle seelische Qualitäten in all ihren Facetten zu erforschen und zu erfahren.

Die Angst, nicht liebenswert zu sein, könnte ein Antrieb sein, direkt nach Erfahrungen von Liebe zu suchen. Stattdessen streben Menschen aber oft nach äußeren und scheinbar objektiven Beweisen für ihre seelischen Qualitäten. Man wünscht sich etwa „Liebesbeweise“ von geliebten Personen und man versucht anderen zu beweisen, dass man sie liebt und dass man selbst liebenswert ist. So etwas kann nicht funktionieren. Liebe lässt sich nicht beweisen, sie kann nur unmittelbar erfahren werden. Das geht nur, wenn die Psyche im Einklang mit der Seele ist – oder anders ausgedrückt: wenn das bewusst wahrgenommene Selbst im Einklang mit dem ursprünglichen kosmischen Selbst ist, welches im Leben mehr und mehr entdeckt wird.

Je mehr ein Mensch versucht, sich selbst und anderen etwas über seine Qualitäten und sein Wesen zu beweisen, desto mehr fällt er aus dem inneren Einklang heraus. Das Gefühl, nicht liebenswert zu sein wird also immer größer, je mehr man versucht, anderen seine Liebe zu beweisen oder von anderen Beweise dafür bekommen will, dass man liebenswert ist. Das Gefühl, nicht gut genug zu sein wird umso gravierender, je mehr man um die Anerkennung anderer kämpft und sich selbst verleugnet, um ihnen zu gefallen. Das Gefühl, machtlos und schwach zu sein verschlimmert sich, wenn man mit anderen konkurriert, um sich zu beweisen, dass man stärker oder besser ist als sie.

Da die wahre innere Kraft und Stärke ebenso wie die wahre Liebe nur entspannt und frei aus der Seele heraus fließen kann, kann diese Kraft und Liebe nicht erfahren werden, solange man sich durch Anspannung und Anstrengung von der Seele, vom kosmischen Ursprung, trennt.

All die Anstrengungen sind nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich für die Psyche. Sie erzeugen Teufelskreise innerer Zermürbung, negativer Gedanken- und Gefühlszustände und destruktiver Verhaltensweisen. Solange man sich in einem solchen Rädchen dreht, ist man bereit, andere zu manipulieren und sich selbst manipulieren zu lassen. Man schürt so nicht nur die eigene Angst, sondern auch die Angst der Mitmenschen. Anstatt liebevolle Gefühle miteinander auszutauschen, tauschen viele Menschen einen Großteil ihrer Zeit deprimierende und energieraubende Botschaften miteinander aus, in dem verzweifelten Bemühen, sich gegenseitig zu kontrollieren und zu beeinflussen. Die Angst, nicht liebenswert zu sein, wird etwa dadurch kompensiert, dass man auch dem Partner suggeriert, nicht der Liebe wert zu sein. Wenn dieser sich dann mehr anstrengt und abmüht, hat man die Illusion von Kontrolle und Überlegenheit. Der Fluss von echter Liebe kommt durch solche energetische Botschaften aber endgültig zum Erliegen, und die Beziehung zerbricht oder wird zur destruktiven Verstrickung.

Wer andere nicht durch negative Botschaften zu kontrollieren versucht, will dafür die Situation kontrollieren und reagiert auf die Manipulation des anderen mit mehr Angst und Anstrengung, in dem Glauben, er habe keine echte Liebe verdient. So führt das Streben nach Selbstbestätigung immer in Teufelskreise, egal ob man dabei eher die Täterrolle oder die Opferrolle einnimmt. Subjektiv fühlen sich beide als Opfer. Manche Menschen kämpfen in ihren Beziehungen um Respekt und Anerkennung, andere um ihre Macht oder ihre Bedeutsamkeit, und so kann man um alles Mögliche kämpfen und es dadurch immer mehr als unerreichbar erleben. Das Streben nach Bestätigung kann Menschen dazu bringen, das Geld und den Luxus anzubeten oder die gesellschaftliche Meinung, es kann sie zu hirnlosen Konsumenten, zu statusgeilen Lackaffen, zu gleichgeschalteten Ameisen oder anderen Zerrbildern ihrer selbst machen – alles Phänomene, die die alltägliche gesellschaftliche Realität prägen.

Obwohl dies offensichtlich ist, ist es schwer, sich der Bestätigungsdynamik zu entziehen. Folgende Übungen können helfen:

  • Die innere Freiheit erkennen: Beende spontan den folgenden Satz: „Ich bin nicht frei, weil …“

Finde verschiedene Antworten, bis dir nichts mehr einfällt. Dies macht dir unbewusstes einschränkendes Denken bewusst, und du kannst nun deine Vorstellungen hinterfragen. Nun mach die gleiche Übung mit dem Satz: „Ich bin frei, weil …“

Du bist tatsächlich frei, wenn du dir selbst zugestehst, keine Bestätigung mehr von außen zu brauchen! (Mach diese Übung in Abständen immer wieder)

  • Existenzielle Ängste annehmen: Diese Ängste sind Teil deines Mensch-Seins. Nicht du bist deshalb krank, sondern die Gesellschaft ist krank, weil sie diese Ängste leugnet und seelenfremde Werte hochhält. Um ein glückliches Leben zu führen, ist es nötig, ein Stück weit aus der gesellschaftlichen Norm auszusteigen und die eigenen Werte zu entdecken. Um deine Ängste zu würdigen und bewusst zu thematisieren, finde Gleichgesinnte, mit denen du über Ängste und über deine tieferen Sehnsüchte sprechen kannst. Durch das Bewusst-Machen wird Angst schrittweise abgebaut.
  • Der innere Beobachter: Beobachte dein Denken und Reagieren im täglichen Leben. Dadurch erkennst du: Du bist nicht dein Denken und Fühlen, sondern deine (meist unbewussten) Prioritäten und Glaubensvorstellungen entscheiden darüber, wie du denkst, fühlst und reagierst. Du hast die Wahl, anders zu reagieren und inneren Frieden zu schaffen, egal was außen vor sich geht. Du kannst angstmachende Glaubensvorstellungen ablegen und dich auf den Augenblick, auf das unmittelbar Wesentliche konzentrieren.
  • Unmittelbare Liebe erfahren: Konzentriere dich auf das unmittelbare Erleben deiner seelischen Qualitäten in deinem Inneren. Nur das gibt dir ein Gefühl für deine wahre Identität und auch ein Gefühl von Sicherheit. Verbringe deine Zeit möglichst nur noch mit Dingen, die es dir erlauben, dein wahres Sein zu erleben und innere Bereicherung zu erfahren. Streiche Beziehungen und Aktivitäten aus deinem Leben, die nur der Selbstbestätigung dienen, aber keinen wahren Wert haben! Konsequent, auch wenn es Angst macht.
  • Höhere Bewusstseinszustände erleben: Praktiziere regelmäßig Aktivitäten, die dir ein intensives Gefühl deiner höchsten Qualitäten geben. Mach die Kunst, die Liebe oder die Meditation zu deiner spirituellen Praxis.

Aus dem Buch „Beziehungen als Wachstumsraum. Authentische Beziehungen mit Tiefgang leben“ von Monika Mahr – 2015

Monika Mahr

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